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Mietrecht: Kündigung wegen Strafanzeige des Mieters gegen den Vermieter?

Kündigung - Copyright Sylvia Horst(ho) Hat man sich erst einmal so richtig „gefetzt“, dann werden die Auseinandersetzungen auch gerne einmal „unter der Gürtellinie“ ausgetragen.
So auch in diesem Fall:

Wohnungsmieterin M macht Wohnungsmängel geltend. Daraufhin werden von einem unbekannten Täter Bestellungen auf den Namen der M, Kreditanfragen und Anmeldungen bei Internetportalen vorgenommen. Der Täter nutzt dazu persönliche Daten der M wie etwa ihre E-Mail-Adresse, ihre Anschrift nebst Telefonnummer sowie ihre Bankverbindung unbefugt. M erstattet Strafanzeige wegen Nachstellung und Beleidigung. Im Text der Anzeige äußert sie „einen Verdacht, wer dies sein könnte“ (der Geschäftsführer der vermietenden Wohnungsgesellschaft). Ihren Verdacht unterlegt sie mit den bestehenden Mietstreitigkeiten und mit Nachrichten des Geschäftsführers, die sie als beleidigend und unverschämt wertet.

Das Ermittlungsverfahren wird nach § 170 Abs. 2StPO eingestellt; der Täter könne nicht ermittelt werden. Vermietungsgesellschaft V kündigt nun wegen der Verdächtigung ihres Geschäftsführers sowie wegen Beleidigungen, geäußert durch M innerhalb des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, fristlos, hilfsweise fristgemäß. M zieht nicht aus, V klagt auf Räumung und Herausgabe der Wohnung.

Der BGH weist die Klage ab (Beschluss vom 8.8.2023 - VIII ZR 234/22, MietRB 2024, 3).
Die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB (Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung) lägen nicht vor. Zwar könne eine Strafanzeige gegen den anderen Vertragspartner als Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Abwägung eine schwerwiegende Pflichtverletzung darstellen, die zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtige (ebenso: Streyl, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 543 BGB Rn. 64 ff; Siegmund, in: Blank/Börstinghaus/Siegmund, Miete, 7. Aufl. 2023, § 543 BGB Rn. 37; vgl. Insgesamt BVerfG, Beschluss vom 2.10.2001 - 1 BvR 1372/01, NZM 2002, 61). Es sei aber mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar, wenn die berechtigte Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte im Rahmen eines Strafverfahrens mit der Anerkennung eines darin liegenden Kündigungsgrundes zu zivilrechtlichen Nachteilen, hier dem Verlust der Wohnung, führe. Deshalb biete eine Strafanzeige keinen Grund für eine fristlose Kündigung, wenn sie auf einer im Kern zutreffenden Schilderung des angezeigten Sachverhaltes basiere. Denn die angezeigten Taten seien tatsächlich zum Nachteil der M begangen worden. Aufgrund der bestehenden Meinungsverschiedenheiten sei es dann zur Äußerung eines Verdachts in Richtung des Geschäftsführers der Vermietungsgesellschaft gekommen. Eine Verdächtigung ohne Anlass habe deshalb nicht vorgelegen. Die Anschuldigung sei nicht leichtfertig erfolgt und stelle deshalb keinen erheblichen Pflichtverstoß dar. Denn es habe sich um eine zielgerichtete und gegen M gerichtete Tat gehandelt, bei der persönliche und nicht allgemein zugängliche Daten verwendet wurden. Dies habe für die Annahme einer persönlich motivierten Tat aus ihrem Umfeld gesprochen.
Weil der Mieterin mit der erhobenen Strafanzeige keine schuldhafte nicht unerhebliche Pflichtverletzung vorgeworfen werden könne, sei auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung unwirksam (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Nachzutragen ist:

Bislang höchstrichterlich ungeklärt ist die Frage wer die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit der Tatsachen trägt, die der erhobenen Strafanzeige zugrunde liegen (Streyl, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 543 BGB Rn. 64 ff – Beweislast des Vermieters als Kündigender; dagegen: Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Aufl. 2021, § 543 BGB Rn. 30 - der Mieter als Kündigungsempfänger, der nachweisen muss, dass seine Behauptungen richtig waren oder aber in Wahrnehmung berechtigter Interessen nachweisen muss).

Lesetipp: Broschüre „Streit im Mehrfamilienhaus“,
2. Auflage 2020, 338 Seiten DIN A5 gebunden, ISBN 978-3-96434-012-2, Preis 21,95 € zuzüglich Versandkosten bei Einzelbestellung, zu beziehen über Haus und Grund Deutschland.

© Dr. Hans Reinold Horst

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