Menü/Datenschutz

Home > News/Presse > Klage auf künftige Räumung?

Wohnungsmiete: Klage auf künftige Räumung möglich?

BGH(ho) Üblicherweise kann geklagt werden, wenn der eingeklagte Anspruch - zum Beispiel die Zahlung von Mieten oder die Räumung der Mietsache - fällig ist (BGH, Beschluss vom 25.10.2022 - VIII ZB 58/21, NJW 2022, 3778, Rn. 24 der Entscheidungsgründe; BGH, Urteil vom 12.6.2006 - VIII ZR 235/04, NJW-RR 2006, 1485 Rn. 11; BGH, Beschluss vom 20.11.2002 - VIII ZB 66/02, NJW 2003, 1395 unter II b bb).

Es gibt aber auch Fälle, in denen man bereits früher klagen kann. Bei gewerblichen Mietverhältnissen kann Klage auf künftige Räumung schon dann eingelegt werden, wenn das Vertragsende zum Beispiel durch eine fristlose oder fristgerechte Kündigung oder durch eine von Anfang an getroffene Befristungsabrede nach dem Kalender vordefiniert ist, also klar ist, dass und wann der Vertrag endet (§ 257 ZPO). Dies gilt auch für die Klage auf künftige Zahlung, wenn die Geldforderung nicht von einer Gegenleistung abhängt und klar ist, wann sie fällig wird.

Bei der Wohnraummiete muss hinzukommen, „dass den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde“ (§ 259 ZPO). Das bedeutet also, dass auch bei Wohnraummietverhältnissen eine Klage auf künftige Zahlung oder auf künftige Räumung unter den gesetzlichen Voraussetzungen möglich ist.

Wie ist es nun im Falle einer erklärten Kündigung, gegen die der Wohnungsmieter Widerspruch erhebt, ohne die Kündigung selbst und damit seine Pflicht zur Räumung und Herausgabe der Wohnung zu bestreiten?
Dazu der folgende Fall:
Vermieter V kündigt Wohnungsmieter M am 23.6.2020 wegen Eigenbedarfs zum 31.3.2021. M widerspricht der Kündigung mit Anwaltsschreiben vom 29.1.2021; trotz intensiver Wohnungssuche habe er eine Ersatzwohnung bis jetzt noch nicht gefunden. Deshalb wäre er mit Ende der Kündigungsfrist obdachlos, was für ihn eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeute (§ 574 Abs. 2 BGB). Ändere sich daran etwas, werde er dies mitteilen. V klagt am 22.2.2021 auf Räumung „spätestens am 31. März 2021“. Am 30.3.2021 teilt M mit, er habe eine neue Wohnung gefunden; die Wohnung könne übergeben werden, was pünktlich zum 31. 3. 2021 erfolgt. Beide Streitgegner erklären den Rechtsstreit deshalb in der Hauptsache für erledigt und beantragen, jeweils dem Prozessgegner die Verfahrenskosten aufzugeben. Das AG weist Mieter M die Kosten zu, dass LG als Berufungsinstanz Vermieter V. V greift die Entscheidung mit der Rechtsbeschwerde zum BGH an.

Der BGH hilft ihm (BGH, Beschluss vom 25.10.2022 - VIII ZB 58/21, NJW 2022, 3778 ff). Mieter M müsse die Verfahrenskosten tragen (§ 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Denn § 259 ZPO erlaube dem Vermieter eine Klage auf zukünftige Räumung, auch wenn der Räumungsanspruch zum Zeitpunkt der Klageeinreichung noch nicht fällig sei. Die Vorschrift gebe ein vorzeitiges Klagerecht, wenn der Mieter eindeutig erkennen lasse dass er gegenwärtig und bei unverändert bleibender Situation, nämlich der weiteren Erfolglosigkeit seiner Suche nach einer neuen Wohnung, auch im Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses nicht zu einem Auszug aus der Wohnung der Kläger bereit sei (so wörtlich Rn. 15 der Entscheidungsgründe).

Nicht zu folgen sei der auch in der Instanzrechtsprechung und der Literatur vertretenen Auffassung, eine Klage auf vorzeitige Räumung nach § 259 ZPO setze voraus, dass der Mieter durch ein ernstliches Bestreiten des Kündigungsgrundes eindeutig zu erkennen gebe, dass er zu einer fristgerechten Räumung nicht gewillt sei. Dies aber könne in einem Widerspruch, gegründet rein auf die Erfolglosigkeit bisheriger Wohnungssuche, nicht gesehen werden (vergleiche zum Streitstand Rn. 16 der Entscheidungsgründe mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung und zur Literatur). Deutlich artikuliert der BGH, ein „Sich-Entziehen“ des Schuldners hinsichtlich seiner Leistungspflicht sei auch dann „zu besorgen“, wenn der Mieter deutlich gemacht habe, er werde wegen Erfolglosigkeit der Suche einer neuen Wohnung weiter in der bisherigen Wohnung verbleiben. Denn eine regelrechte „Böswilligkeit des Schuldners hinsichtlich der geltend gemachten Leistungspflicht“, zu verstehen als Erschwerung oder als Hintertreibung der Erfüllung der Gläubigerforderung, sei für eine Klage auf künftige Räumung nicht notwendig (Rn. 19 der Entscheidungsgründe, mit weiteren Nachweisen). Schließlich komme es nicht darauf an, ob sich der Mieter berechtigt sehen durfte, seinen Auszug zu verweigern (Rn. 21).

© Dr. Hans Reinold Horst

News/Presse >>

Unsere Partner:

Logo Stadtwerke-Solingen Logo Architekten dph Lifta