Nachbarrecht: Meine
Leitung, deine Leitung?
(ho)
Auf zwei getrennt parzellierten Grundstücken steht je eine Doppelhaushälfte.
Die Gebäude grenzen aneinander. Das Grundstück
von Nachbar A wird über das Grundstück von Nachbar B entwässert.
Es kommt zum Rückstau durch eingewachsene Wurzeln in der Abwasserleitung.
Daraufhin fordert B seinen Nachbarn A dazu auf, künftig kein Abwasser
mehr in seine Leitung einzuleiten, und die zuführende Leitung wegzunehmen.
A folgt dem nicht, B klagt auf Unterlassung.
Das Berufungsverfahren gewinnt B (OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.3.2025
- 12 U 130/24, BeckRS 2025, 3321 = IMR 2025, 295 = MDR 2025, 857). Der
Klageanspruch ergebe sich aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine Pflicht
zur Duldung der fremden Abwasserleitung auf dem eigenen Grundstück
gemäß § 1004 Abs. 2 BGB greife nicht. Denn mangels Eintragung
im Grundbuch sei eine dingliche Berechtigung zur Leitungsführung
über das Grundstück, zum Beispiel als Dienstbarkeit, nicht entstanden.
Auch § 7f NRG-BW führe nicht zu einer Duldungspflicht. Denn
das Grundstück des beklagten A grenze direkt an eine öffentliche
Straße, in der auch öffentliche Versorgungsleitungen liegen.
Schließlich könne ein Duldungsanspruch nicht aus einer gemeinsamen
Planung und Gestaltung sowie Ausführung der Abwasserführung
zwischen dem Kläger und dem Vater des Beklagten abgeleitet werden.
Denn eine etwaige rein schuldrechtlich wirkende Vereinbarung sei eben
nur mit dem Vater zustande gekommen, berechtige A als dessen Sohn folglich
nicht. A sei eben kein Vertragspartner. Deshalb könne offenbleiben,
ob in der Abrede zumindest eine konkludent erklärte Gestattung der
Abwasserführung liegen könnte.
Schließlich ergebe sich die Pflicht zur Duldung der Leitung auch
nicht aus dem nachbarrechtlichen Rücksichtnahmegebot (§ 242
BGB). Denn die Annahme solcher Pflichten stelle eine Ausnahme dar. Dies
käme nur in Betracht, wenn ein billiger Ausgleich der widerstreitenden
Interessen dringend geboten erscheine, der über die gesetzlichen
Regelungen hinaus ginge. A könne sich aber auf eine besonders schutzwürdige
subjektive Vertrauensstellung nicht berufen. Das sei allenfalls dann erwägenswert,
wenn er beim Erwerb des Grundstücks die Leitungsführung gekannt
und auf deren Fortbestand vertraut hätte oder wenn der Zustand über
einen langen Zeitraum unangefochten bestanden hätte. Dies aber sei
nicht vorgetragen worden. Ein subjektiver Vertrauensschutz sei deshalb
nicht entstanden. Das nachbarliche Rücksichtnahmegebot hindere die
Durchsetzung des Beseitigungsanspruchs nach § 242 BGB deshalb nicht.
Nachzutragen ist:
Die seinerzeit getroffene Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem
Vater des Beklagten hätte notariell beurkundet und im Wege einer
Grunddienstbarkeit ins Grundbuch eingetragen werden müssen. Dann
wäre auch der Sohn und heutige beklagte A als jetziger Grundstückseigentümer
aus der Grunddienstbarkeit berechtigt.
Aufgrund der Lage des Grundstücks direkt an einer öffentlichen
Straße mit Entwässerungskanal war auch ein sogenanntes Notleitungsrecht
gemäß § 917 BGB analog (dazu BGH, Urteil vom 26.1.2018
- V ZR 47/17, IMR 2018, 304) nicht diskussionsfähig.
© Dr. Hans Reinold Horst
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